Archiv der Kategorie: Recht Regional

OLG Hamm: 2 Entscheidungen zur Mithaftung, wenns beim Überholen einer Fahrzeugkolonne kracht

In 2 jüngeren Entscheidungen (Urteil vom 09.07.2013 zum Az.: 9 U 191/12 und Urteil vom 23.04.2013 zum Az.: 9 U 12/13) hat sich das OLG Hamm zur Mithaftung des „Überholers“ einer Fahrzeugkolonne Stellung genommen:

Im ersten Verfahren ging es um die Mithaftung eines Mokick-Fahrers, der eine aus 3 Fahrzeugen bestehende Kolonne überholte und dabei mit dem ersten Fahrzeug, das nach links in eine Grundstücksauffahrt einbiegen wollte, zusammenstieß. Das OLG Hamm erkannte eine 75%ige Mitverschuldensquote des „Überholers“, da ihn ein erhebliches Verschulden treffe, weil er verbotswidrig bei für ihn unklarer Verkehrslage überholt habe. Bei der abbiegenden PKW-Fahrerin sei dagegen nur die Betriebsgefahr des Fahrzeuges mit einer 25%-Quote zu berücksichtigen.

Im zweiten Verfahren hatte der Beklagte mit seinem Motorrad eine aus mehreren Fahrzeugen bestehende Kolonne überholt. Dabei kollidierte er mit einem unter Ausnutzung einer Kolonnenlücke unvorsichtig aus einer wartepflichtigen Querstraße nach links abbiegenden Pkw. Trotz der Vorfahrtsituation erkannte das OLG Hamm auf eine Mithaftungsquote von 1/3 zu Lasten des „Überholers“, weil dieser das allgemeine Rücksichtnahmegebot verletzt habe. Nach Ansicht des Gerichts müsse jemand, der bei dichtem Verkehr an einer zum Stehen gekommenen Fahrzeugkolonne vorbeifahre, bei erkennbaren Verkehrslücken in Höhe von Kreuzungen und Einmündungen seine Fahrweise trotz Vorfahrt so einrichten, dass er auch vor unvorsichtig aus der Lücke herausfahrenden Fahrzeugen rechtzeitig anhalten kann.

VG Minden: Auch bei Oldtimern besteht Eurokennzeichen-Pflicht

Das VG Minden hat mit 2 Urteilen am 8.6.2013 entschieden, dass Oldtimer ebenso wie alle anderen Fahrzeuge seit 1997 mit einem Eurokennzeichen uszustatten sind. Geklagt hatten 2 Oldtimerbesitzer aus dem Kreis Paderborn, denen bei der Erteilung von Kennzeichen in den Jahren 2007 und 2011 aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen, Kennzeichen ohne Eurofeld zugeteilt bekommen hatten. Der Kreis hatte die Einziehung dieser Kennzeichen angeordnet, um diese auf seine Kosten gegen entsprechende Kennzeichen mit Eurofeld auzutauschen. Hiergegen richteten sich die Fahrzugführer, die die Auffassung vertraten, dass die Eurokennzeichen-Pflicht dem historischen Erscheinungsbild der Fahrzeuge widerspräche. Das VG ist dieser Auffassung mit der Begründung entgegengetreten, dass das Aussehen vonb Kennzeichen im öffentlichen Straßenverkehr gesetzlich vorgeschrieben sei und dass das ästhetische Empfinden der Fahrzeughalter demgegenüber zurücktreten müsse. Anderenfalls müssten je nach Alter der Fahrzeuge verschiedenste – heute gar nicht mehr gültige – historischen Kennzeichen vergeben werden.

(Az.: 2 K 2930/12 und 2 K 2931/12)

OLG Hamm zu den Verkehrssicherungspflichten eines Baumarktbetreibers:

Das Oberlandesgericht Hamm hat der Klage einer Frau stattgegeben, die die Betreiberin eines Baumarkts verklagt hatte, nachdem sie im Kassenbereich auf einer feuchten Stelle ausgerutscht war und sich erheblich verletzt hatte. Der Kundin treffe zwar eine Mitverschulden, so dass ein Schadensersatzanspruch um 1/3 zur kürzen sei; die überwiegende Verantwortung sieht das Gericht aber bei der Betreiberin des Baumarktes, die ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Bei Supermärkten seien in Bereichen, bei denen ein erhöhtes Verletzungsrisiko bestehe, wie zum Beispiel in der Obst- und Gemüseabteilung, wo häufiger Waren zu Boden fallen und Kunden auf ihnen ausrutschen könnten, Kontrollen in Zeiträumen von 15 bis 20 Minuten zu fordern. Von der Beklagten als Betreiberin eines Selbstbedienungsbaumarktes seien dagegen bei einem durchschnittlich starken Kundenaufkommen Kontrollen im Abstand von 30 Minuten zu fordern. Die etwas großzügigere Bemessung der Zeiträume wird damit begründet, dass im Baumarkt überwiegend verpackte Produkte angeboten würden. Da die Beklagte im entschiedenen Fall aber auch unverpackte Pflanzen anbot, bei denen die Gefahr bestehe, dass sie Teile verlieren oder aus ihrer bewässerten Erde Wasser austrete, seien auch hier regelmäßige Kontrollen zu fordern, auch wenn die zeitlichen Abstände etwas größer ausfallen dürften.

OLG Hamm, 15.3.2013 – Az.:9 U 187/12

OLG Hamm: Nachzahlung in Höhe von 50.000 Euro nach illegaler Stromentnahme

Das Oberlandesgericht Hamm hat eine Entscheidung des Landgerichts Essen bestätigt, wonach der Mieter einer Wohnung, die er zum Betrieb einer Cannabis-Plantage angemietet hatte, eine Nachzahlung in Höhe von 50.000,00 Euro an seinen Energieversorger zu leisten hat. Der  Mann hatte den für die Lampen und Belüftung erforderlichen Strom illegalerweise entnommen, indem er den Zähler manipulierte. Nach Entdeckung der Plantage, die über einen Zeitraum von etwa 2 Jahren in der Wohnung betrieben wurde, schätzte der Energieversorger auf Grundlage der Wattleistung der aufgefundenen Geräte den Stromverbrauch, wozu er nach § 18  StrGVV (Stromgrundversorgerverordnung) berechtigt ist. Daraufhin erhielt der Mieter eine Stromrechnung über einen Betrag von etwa 53.000,00 Euro, wogegen er sich  zur Wehr setzte. Da allerdings feststand, dass der Mann die Wohnung über zwei Jahre allein zum Betrieb der Plantage genutzt hatte und die Schätzung der Verbrauchswerte durch den Energieversorger auch sonst nachvollziehbar war, bestätigte das OLG Hamm – ebenso wie die Vorinstanz – die Rechtmäßigkeit der Forderung.

OLG Hamm, 19. Zivilsenat (AZ: 19 U 69/11)

Gewaltschutzgesetz: Bis zu 2 Jahre Ordnungshaft bei massivem Telefonterror angemessen

Das Oberlandesgericht Hamm hat eine Entscheidung des Amtsgerichts Bielefeld bestätigt, das  wegen massiver Verstöße gegen eine Gewaltschutzanordnung einen Mann zu 2 Jahren Haft verurteilt hatte. Der Mann hatte sich trotz Verbotes, sich der Antragstellerin näher als 20 Meter zu nähern und telefonisch oder auf andere Weise mit ihr in Kontakt zu treten, diese weiterhin mit E-Mails und Telefonanrufen belästigt. Wiederholte Ermahnungen durch die Polizei ignorierte der Mann. Daraufhin verhängte das Amtsgericht Bielefeld gegen ihn 90 Tage Ordnungshaft. Da zwischenzeitlich weiter gegen die Gewaltschutzanordnung verstoßen wurde und der Antragsgegner die Antragstellerin im Zeitraum von Ende August 2012 bis Ende November 2012 mit mehr als 450 Anrufen belästigt hatte, verhängte das AG Bielefeld weitere 630 Tage Ordnungshaft. Hiergegen legte der Mann sofortige Beschwerde beim OLG Hamm ein, hatte damit aber keinen Erfolg. Die Entscheidung ist rechtskräftig (Beschluss vom 28.02.2013, Az.: II-1 WF 47/13).